Während die Präparation von Tieren, das sogenannte „Ausstopfen“, in naturkundlichen Dioramen dazu beiträgt, sowohl die Tierwelt ferner Länder als auch die heimische Fauna erfahrbar zu machen, dient sie im Privaten auch als eine Form der Trauerbewältigung und Erinnerungskultur: Ein Versuch, kunstvoll die Leerstelle zu füllen, die der Tod lieb gewonnener Haus- und Schoßtiere hinterlässt.
In der audiovisuellen Installation Der lange Abschied beschäftigen sich die beiden Künstler*innen Alisa Hecke und Julian Rauter mit der Praxis der Taxidermie. In einem ehemaligen 1950er-Jahre-Pavillon in Gelsenkirchen entwirft das Duo gemeinsam mit dem Szenographen Franz Thöricht einen Andachts- und Erinnerungsraum. Für ihr Projekt recherchierten sie an prägnanten Orten der Präparationsgeschichte im Ruhrgebiet. Die Installation verwebt das traditionsreiche Bochumer Gasthaus Zur Uhle, einst bekannt für seine große zoologische Sammlung, die Berufsfachschule am Walter-Gropius-Berufs-kolleg in Bochum sowie eine Präparationswerkstatt erzählerisch und atmosphärisch miteinander.
In ein Präparat schreibt sich immer auch die sich wandelnde Beziehung des Menschen zum Tier ein und ebenso die Art, wie es erinnert werden soll. Nicht zuletzt besteht beim Präparieren von Haustieren die Herausforderung vor allem darin, die tierischen Begleiter in möglichst vertrauter Haltung zu formen, ohne dass das Tier zum häuslichen Schreckgespenst mit Glasaugen wird. In Zeiten des vermehrten Artensterbens verkörpert ein Präparat nicht nur den Verlust eines einzelnen Tieres, sondern mitunter auch den einer ganzen Spezies. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass jedes vierte Säugetier bald für immer von der Erde verschwinden könnte. Neben der Ausbeutung durch den Menschen und der Zerstörung der Lebenswelten durch oder für die Landwirtschaft, ist der Klimawandel die drittgrößten Ursache für das Artensterben.
- Festival
Die Installation Der lange Abschied wurde im Rahmen der Ausstellung Ruhr Ding: Klima entwickelt und war vom 26.5—27.6.2021 im Pavillon an der Bokermühlstraße zu sehen.