Soundfiles

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Im Zug, auf der Autobahn oder auf dem Weg zu Fuß durch die Stadt: Überall nehmen wir, bewusst oder unbewusst, Töne wahr. Musik, Hörbücher oder Nachrichten, die wir im Autoradio oder über Kopfhörer hören, verschwimmen mit den Geräuschen der Umgebung. Das Gehörte bestimmt, wie wir die Umgebung wahrnehmen, wie wir uns bewegen oder wie lang sich die Wartezeit auf die nächste S-Bahn anfühlt. Gerade im Ruhrgebiet, einem Ballungsgebiet aus vielen kleinen und großen Städten, ist das Unterwegssein täglich präsent. Auch die künstlerischen Arbeiten des Ruhr Ding: Territorien sind auf vier verschiedene Städte der Region verteilt. Um sie zu besuchen, bewegen sich die Besucher*innen von Ort zu Ort durch die Städte oder verweilen kurz zwischen ihnen. Die Soundfiles widmen sich dem Raum dazwischen, dem Unterwegssein, dem Warten und Ankommen. Wir haben Künstler*innen, Musiker*innen, DJs und Labels der Region gebeten, ihren Soundtrack für das Reisen im Ruhrgebiet und die Orte, die man dabei durchquert, an denen man sich aufhält oder zu denen man immer schon einmal fahren wollten, zusammenzustellen.

Jede Woche veröffentlicht Urbane Künste Ruhr auf der Website eines der Soundfiles. In digitaler Form sind die Soundtracks als eigene künstlerische Arbeiten und übergreifende akustische Klammer des Ruhr Ding: Territorien unbegrenzt und ortsunabhängig erlebbar – sie können nämlich überall angehört werden.

Soundfile#1

Stefan Kirchhoff & Edis Ludwig: Our great floating goddess / traffic jam / delay / cancelled

„Im ersten Teil unseres Stückes haben wir uns von dem Luftschiff das in Mülheim an der Ruhr startet inspirieren lassen: Eine sehr langsame, gleichmäßige Art über dem Ruhrgebiet zu reisen. Der 2. Teil spiegelt die stop & go Bewegungen des Staues, dem täglich tausende von Pendlern ausgesetzt sind wieder; Er kommt nicht so richtig in Fahrt. In delay, dem dritten Teil des Stückes, haben wir die "Tonleiter", die ein ICE der Deutschen Bahn spielt als Ausgangspunkt des Stückes benutzt und im letzten Teil „cancelled“ empfinden wir die Klanglandschaft eines Bahnhofes bei Nacht wieder, wenn der Zug ausfällt.“

Stefan Kirchhoff und Edis Ludwig sind teil der experimentellen Musikszene des Ruhrgebiets und spielen in mehreren Bands und Projekten im Grenzbereich zwischen freier Improvisation, Neuer Musik, Jazz und Elektronik. Sie sind Teil des Ambient und Drone Kollektivs Nasssau und spielen als Ludwig/Kirchhoff frei improvisierte Musik mit präparierter Gitarre und Computer. Beide arbeiten außerdem regelmäßig als Theatermusiker.

Soundfile#2

Denise Ritter: RestlessRuhr
28 Min. 20 Sek.

„Das Ruhrgebiet als Ort der kreativen und konstruktiven Unruhe: diese persönliche Empfindung bildet den Ausgangspunkt für „Restless Ruhr“.

Das elektroakustische Stück besteht aus Audio-Aufnahmen von Orten, Routen und Zwischenräumen über und unter der Erde in der Region und spiegelt das ständige Unterwegssein und Bewegtwerden wider.“
Denise Ritter ist Klang- und Medienkünstlerin. Ihr Schwerpunkt sind Klanginstallationen mit elektroakustischen Kompositionen aus Audio-Aufnahmen realer Klangsituationen (z. B. Field Recordings und Soundscapes). Ihr CD-Projekt „Schachtanlage Gegenort“ fokussiert sich auf Elektroakustik / Industrial aus Audio-Aufnahmen von der Steinkohleförderung unter Tage und den Produktionsprozessen in Eisenhütten und Stahlwerken.

Soundfile #3

DJ Normal 4: Einreise
40 Min. 18 Sek.

1. Stück: LSW (Life Style West) - Deutsche Bahn, veröffentlicht auf Candomblé Düsseldorf 2019

2. Stück: Nils Herzogenrath aka Vomit Heat - untitled, unveröffentlicht 2018

3. Stück: Nils Herzogenrath aka Vomit Heat - untitled, unveröffentlicht 2018

Mit Samples aus der Dokumentation Ein Requiem auf eine Zeche auf Youtube, Reinhard Schneider Film Produktion, 1994 sowie Field Recording Material, Synthesizer, Effekte.

„Mit meinem Soundfilebeitrag wollte ich die Einfahrt ins Ruhrgebiet von Düsseldorf bzw. Düsseldorf Flughafen aus, eine von mir regelmäßig bereiste Strecke, schon seit Kindheitstagen, impressionistisch "dokumentieren". Hierzu verwendete ich vorwiegend Stücke befreundeter Künstler aus der Region, sowie Field recording Material. Für viele hier lebende Menschen, sowie für mich, ist der Flughafen das Tor zur Welt und umgekehrt für viele Einreisende die Tür ins südliche Ruhrgebiet.

Als international tourender DJ, sowie durch die Tatsache, dass sich mein Studio in Düsseldorf befindet, ich jedoch in Mülheim beheimatet bin, ist jene Strecke heut zu Tage eine Routine Angelegenheit für mich, ebenso das ein- und ausreisen via DUS. Geschichtlich betrachtet wurde von Düsseldorf aus im Ruhrgebiet auch viel geschaltet, so lag zum Beispiel der Firmensitz von Thyssen Krupp in Düsseldorf, bevor er 2009 ins "Herz" des Gebiets, nach Essen verlegt wurde.

Jedes Mal wenn ich zurück kehre in meine Heimat, das "graue Ruhrgebiet", was ja nicht mehr so ganz stimmt, bemerke ich diese einzigartige Tristesse, die Relikte und Attitüde des Kumpeltums. Da wo früher hart und viel gearbeitet wurde, herrscht heute zum großen Teil Leerstand und Verfall, diese fast dystopische Atmosphäre die an manchen Orten herrscht und die ebenfalls merklich bei Duisburg eintritt, gerade wenn man mit der Bahn unterwegs ist, schafft bei mir aber gleichzeitig Hoffnung. Hoffnung auf neu erkund- und nutzbaren Raum, kreative Neu-Ansätze und Wandel, sowie bezahlbaren Wohnraum.“

Tim Schumacher alias DJ Normal 4 ist international tourender DJ und Musikproduzent der in Mülheim an der Ruhr aufgewachsen und beheimatet ist. Zusammen mit 2 Freunden betreibt er das Musik Label Aiwo Records.

Soundfile #4
Achim Zepezauer: RE1
44 Min. 50 Sek.

„Eine Fahrt durch das Ruhrgebiet mit der Regionalbahn RE1. Hin und her zwischen Dortmund und Duisburg. Ausgestattet mit einem Walkman mit Aufnahmefunktion. Die Strecke ist wie ein Äquator durch das Ruhrgebiet und befördert täglich die Menschen von West nach Ost und zurück. Man hört Schienengerappel und Sprachfetzen unterschiedlicher Kulturen, die der Region ihre Identität geben. Weiterverarbeitet mit elektro-magnetischen Wellen aus dem Zug und Cut-Up-Technik transportiert die Reise den Zuhörer an den akustischen Puls der Metropole Ruhrgebiet.!“

Achim Zepezauer kaufte mit acht Jahren seine ersten Schallplatten. Mit 19 studierte er Bildende Kunst in den Niederlanden, um dann als Musiker zu arbeiten. Weitere Stationen: Preisträger jazzwerkruhr 2006 für seine DVD „Kuhzunft“ // Namensänderung // Spielt Elektronik bei „The Dorf" // Eigene Radiosendung seit 2005 // Macht Filme, Bilder und Musik // Aktuelle VÖs: „Slotmachine“ & „Cardtalk“

Soundfile #5

Elif Dikec
32 Min. 24 Sek.

„Mein Name ist Elif Dikec. Ich komme aus Istanbul und bin vor 4 Jahren ins Ruhrgebiet gezogen. Hier folgen ein paar Eindrücke einer Außenseiterin.“

1 - Tasteless - Gras ​(0:00) Ein erster Eindruck des Ruhrgebiets
2 - Tired Eyes Kingdom - Edge (​4.44) Oberhausen HBF. Das Ruhrgebiet ist wie ein Raum der Wünsche, erdacht von den Coen Brüdern. Da, wo du es am wenigsten erwartest, erwartet dich etwas Seltsames aber gleichzeitig Großartiges.
3 - Hibernation - Elif Dikec ​(9:41) Die Ehrenfeld-Station deiner Wahl
4 - Once Posessed - Gras ​(11:56) Ein überhitzter RE1 im Juli.
5 - Knot - Stiver ​(16:35) Der selbe RE1 bei der Überquerung der Hohenzollernbrücke im November
6 - System Imminent Value Defect - Sonae ​(20:42) ​ ​NRW-Wahl 2017
7 - We are Here - Sonae mit Elif Dikec ​(26:50) UND du bist mehr

Soundfile #6

N: Dortmund 51.517177 / 7.453733
10 Min. 47 Sek.

N arbeitet mit dem Moment, mit dem Eindruck des Ortes, mit dem, was die Inspiration bewirkt. Unabhängig vorhergehender Planungen und Überlegungen entsteht so eine Musik, die sehr persönlich, sehr „innen“ und sehr Ausdruck ist. N-Veröffentlichungen beziehen sich auf reale Orte, die sich im Namen der (durchnummerierten) Tonträger wieder finden. Seit 1997 arbeitet N auf dem Gebiet experimentelle Gitarrenmusik. N veröffentlicht ausschließlich Aufnahmen, die vollständig live entstanden sind. Ziel ist es, die Frische und Tiefe der Musik einzufangen, wie sie nur im Moment der Inspiration entstehen kann. N verwendet dafür ein Gitarre-zwei-Verstärker-Setup mit einer Kette von Effektgeräten als verbindendes Element und lässt so eine Musik basiert auf warmer Tiefe entstehen; mal loopartig zurückhaltend und zerbrechlich, mal wie ein Unwetter die Hörer*innen überrennend. Im Rahmen von Live Auftritten verwendet N ausschließlich das oben genannte Setup.

N: amps + guitar

Fieldrecording by N at 51.517177/7.453733

direct 2-track recording / live mixing by N

special thanks to: Inke Arns, MEINEIN

www.n-1511.com

Soundfile #7

GRAY: Route to IfPoM
33 Min. 34 Sek.

Hinter GRAY verbirgt sich die Kölner Elektronik-Produzentin und Designerin Stefanie Grawe, die für melancholische Electronica mit sphärischen Klängen steht und darüber hinaus als Teil des Bandprojekts „The Hacking Orchestra“ bekannt ist. Sie veranstaltet die female:pressure-Konzertreihe in Köln. Ihr Remix „Light Is Winning” für Natalie TBA Beridze wurde auf dem Label Monika Enterprise veröffentlicht.

Aktuell arbeitet GRAY an ihrem Debut-Album und pendelt regelmäßig für ihr Masterstudium am Institut für Populäre Musik (IfPoM) der Folkwang Universität der Künste mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Köln nach Bochum. Für das Projekt „Ruhr Ding: Territorien“ verwendet sie auf diesen Fahrten aufgenommenes Material und verwebt es nahtlos mit elektronischen Sounds. Menschliche Stimmen, raue Verkehrsgeräusche oder morgendliche Vogelgesänge – diese Field-Recordings transformiert GRAY zu virtuellen Instrumenten und produziert damit einen elegischen Soundtrack für das Gefühl des Reisens in urbanen Räumen, der sich traumwandlerisch zwischen melancholischer Weite und emotionaler Direktheit bewegt.

Weitere Infos: stefaniegrawe.de facebook.com/grayofficial

Soundfile #8

Multiface: Holes - or - there is no maps of retreats
21 Min. 42 Sek.

Das Ruhrgebiet ist unterbaut mit einem System aus unterirdischen Tunneln, Gruben und Schächten. Bunkeranlagen ziehen sich kilometerweit unter den Städten entlang, verbinden sich röhrenartig zu immer weiter ineinander laufenden Netzwerken und münden in einer Orgel der Resonanz.

Das Soundfile basiert auf der Faszination für diese unbelebten und vergessenen Orte und spielt mit der Idee von unterirdischem Leben in Zeiten einer nicht mehr belebbaren Oberfläche. Das Netzwerk als Zufluchtsort.

Multiface ist das Alias eines Duos aus Dortmund, das sich mit Entwicklung von emotionalen Erwartungen und Utopien des Zusammenlebens in unserer Zeit auseinandersetzt.


Festival

Das Projekt von Christina Danick und Jana Kerima Stolzer wurde im Rahmen des Ruhr Ding: Territorien entwickelt.