Auf den ersten Blick bewegte sich die Malerei Paul Sochackis (*1983) zwischen Abstraktion und Romantik: ein Eiscreme schlabbernder Löwe vor einer riesigen Weltkugel, eine Gruppe Mäuse, die vor einem löchrigen Stück Käse Spalier stehen, ein weißer Schwan auf schwarzer See, dessen Kopf im Nebel verschwindet. Die Bildsprache des Berliner Künstlers warf uns zurück in die Welt der Kindheit mitsamt all ihrer Mythen, Fabelwesen und Phantasmen. Gleichsam verführten die vertrauten Motive mit Poesie und Humor zu komplexeren Lesarten. Tauchten wir in seine Geschichten ein, dann begannen wir, Zusammenhänge mit realen Situationen und ihren sozialen Kontexten zu erkennen. Hinter dem Schleier der Harmlosigkeit eröffnen sich Komplexitäten und vielschichtige Probleme: Obwohl seine Bilder manchmal kindlich und märchenhaft erschienen, stellten sie oft eine scharfe Reflexion sozialer Verhältnisse dar, die Sochacki auch als Mitherausgeber des Straßenmagazins Arts of the Working Class beschäftigten.
Beim Ruhr Ding: Klima verband Paul Sochacki mit seinem Beitrag nicht nur Malerei und Digitalisierung, sondern verknüpfte auch die verschiedenen Ausstellungsorte miteinander: Via Augmented Reality traten seine Geister am Silbersee sowie an den Infopoints und Radstationen des Ruhr Ding: Klima an den Bahnhöfen in Gelsenkirchen, Herne, Recklinghausen und Haltern-Sythen in Erscheinung. Via Smartphone oder Tablet konnten sie über den einfachen Scan eines QR-Codes an den unterschiedlichen Orten aufgerufen werden. Die webbasierte Anwendung griff dabei auf die Kamera der Geräte zu und ließ die Geister in der Umgebung erscheinen.
Konkret bekommen wir es hier mit dem Über-Ich des Reichsadlers zu tun, der immer noch durch Deutschland spukt. Auf Wunsch von Paul Sochacki reflektiert die von der in Łódź lebenden 3D-Künstlerin Alek Sarna animierte Erscheinung dabei in kurzen und von Ort zu Ort unterschiedlichen Gedichten das gegenwärtige gesellschaftliche Klima. Und dazu: Orgelmusik von Michael Leyk.
- Festival
Der Beitrag wurde im Rahmen der Ausstellung Ruhr Ding: Klima entwickelt und war vom 22.6.—27.6.2021 an verschiedenen Standorten der Ausstellungen im Ruhrgebiet zu sehen.