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Irrlichter-Tour durch Steele

von Nicoleta Moise

Eines Samstagmorgens während der Hitzewelle El Niño ging ich mit sieben anderen in Essen-Steele spazieren und sah mir öffentliche Kunstwerke an, die speziell für Orte geschaffen worden waren, die man normalerweise nicht betreten würde. Glenda, eine Kunstvermittlerin bei der diesjährigen Ausgabe von Ruhr Ding: Schlaf, zeigte uns fünf Interventionen von Künstler:innen, die ihre lebensbejahenden Perspektiven auf die urbane Landschaft mit kritischem, feministischem oder pädagogischem Blick präsentierten.

Die Tour begann auf einer Fußgängerbrücke zwischen dem Bahnhof Essen-Steele und dem ehemaligen Eingang des Kaufhauses Wertheim, wo wir eine Collage in der Größe einer Werbefläche sahen, darauf undurchsichtige, sich überschneidende Handflächen. Mit tomorrow, there will be no monsters intervenierte die Künstlerin Kameelah Janan Rasheed auf der Gebäudefassade mit Bruchstücken unlesbarer Schwarzweißschrift und Bildern, die das KI-Programm Midjourney erzeugt hat. Alle fragten sich, was der Originaltext gewesen sein mochte, aus dem das entstanden ist. Dann dachte ich an Momente, in denen wir etwas lesen oder sehen und es zu verstehen glauben, obwohl wir nichts verstehen.

Die zweite Intervention befand sich im Erdgeschoss desselben Kaufhauses in einem leeren Raum, der ein Tonstudio darstellen sollte. Unsere Blicke wandten sich der aufgeschnittenen Decke zu. Die Künstlerin Nadia Kaabi-Linke hatte eine verborgene Infrastruktur aus Rohren, Spiegeln, Kabeln und einem Lüftungssystem mittels eines Glasfensters neben Neonlichtern bloßgelegt, die flackernd alle paar Minuten an- und ausgingen. Die ortsspezifische Installation Ad Astra (Zu den Sternen) verlieh dem Unsichtbaren eine Form, indem sie die fiktive Vorstellung von „astro mining“ mit der Bergbaugeschichte im Ruhrgebiet verband. Wenn der Himmel ein Spiegel der menschengemachten, unterirdischen Strukturen der Erde wäre, hätte Kaabi-Linke – so sage ich mir – ihr Ziel erreicht.

Auf dem Weg zum nächsten Ort machten wir kurz Halt und sahen uns den Gebäudeplan an, der aus Steinen der ehemaligen Synagoge angelegt war, die die Nazis 1938 in Brand gesteckt hatten. Jetzt ist dort ein Parkplatz, auf dem man (fast) die Markierungsspuren erkennen kann. Eine Metallplatte ist irgendwo zwischen einer Bank und einem Kinderfriseur namens Hair(y) Potter angebracht.

Im Wohnviertel von Steele kamen wir in eine Privatwohnung, wo Alicja Rogalska eine Installation mit dem Titel Sister Flats II geschaffen hatte. Im Flur stand eine Armee von Hausschuhen. Wir wurden gebeten, sie anzuziehen oder die Schuhe auszuziehen. Im Wohnzimmer lag ein gelber Teppich, der nicht den ganzen Boden bedeckte. Wir machten es uns auf einer braunen Ledercouch bequem, von wo aus wir die neue Videoarbeit der Künstlerin betrachteten – eine umfangreiche Erkundung der Entwicklung von Steele, vermischt mit architektonischen Utopien der Vergangenheit. Hinten im Raum, wo die Fenster nur angelehnt waren und ich eine kühle Brise spürte, stand ein Bügelbrett mit einem Bügeleisen, das auf Teilen von Vorhängen und Frauenunterwäsche stand, die aneinandergenäht wie Hängepflanzen bis zur Vorhangstange reichten. Diese Arbeit entstand im Dialog mit kosovarischen feministischen Aktivistinnen und wurde auf der Manifesta 14 gezeigt.

Von der Wohnung aus gingen wir als nächstes zu The Talking Corner, einem mobilen Pavillon hinter dem Zaun eines offenen Feldes, wo Kinder und Erwachsene an Workshops zu Fotografie, Zines und Malerei teilnehmen konnten. Die Künstlerin und Pädagogin Maximiliane Baumgartner entwarf zusammen mit Studio Nitsche eine frei zugängliche, kommunale Infrastruktur für Kunstvermittlung, die von den radikalen und aktionspädagogischen Skulpturen der 1970er inspiriert war.

Die Tour schloss mit der skulpturalen Installation Temporarily not Available von Stephanie Lüning. Eine ausrangierte gelbe Telefonzelle, aufgestellt unter den Balkonen eines Wohnhauses, wo ich eine Frau Ukrainisch reden hörte, Essen roch und einen Mann beim Rauchen sah. Während die Nachbarn beobachteten, wie sich gleich unter ihrem Fenster Geschichte ereignet (Deutschland plant, alle noch existierenden Telefonzellen bis 2025 abzubauen), fungierte die mit Schaum gefüllte Zelle als solarstrombetriebene Messstation in direktem Einklang mit Tageslicht und Witterungsverhältnissen.

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