Eine Kooperation von Urbane Künste Ruhr und der Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets.
Als Archive werden Institutionen bezeichnet, die der Sammlung und der Speicherung von Dokumenten aller Art dienen. Aber auch die Gebäude selbst, in denen sich die aus verschiedenen Gründen aufbewahrten und nach unterschiedlichen Kriterien ausgesuchten Objekte befinden, werden so genannt. Da das Sammeln und Speichern nach bestimmten Selektionsprinzipien erfolgt, hat es immer auch eine politische Dimension. Für Michel Foucault ist ein Archiv ein bewegliches System der Diskursivität, also ein System von Beziehungen und Aussagen, innerhalb derer wir uns verhalten. Außerdem zeichnet sich ein Archiv im Unterschied zu Bibliotheken und Museen auch dadurch aus, dass das Archivgut nur zu einem kleinen Teil von vornherein als dauerndes Zeugnis angelegt wird.
Wie lässt sich nun künstlerisch ein Archiv erforschen? Gibt es ein schlafendes Wissen im Archiv, das über einen künstlerischen Zugriff erst geweckt wird? Wo tauchen Leerstellen oder Brüche auf? Welche vernachlässigten und unerzählten Geschichten treten hervor? Wie können sie aufgenommen und präsentiert werden? Wie dynamisch sind (materielle) Archive eigentlich und welche neuen Archive brauchen wir?
Drei Monate lang hatten die Stipendiat*innen von Urbane Künste Ruhr und der Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets Zeit im Haus der Geschichte ausgehend von diesen und anderen Fragen das Archivmaterial und Archivierungsstrukturen zu erforschen. Während ihres Aufenthalts konnten sie sich in einem umfangreichen Fundus an früher Bergbauliteratur nicht nur regionalen und überregionalen Bergbaugeschichte(n) annähern, sondern sich über Zeitschriften und Ephemera auch mit verschiedenen internationalen sozialen Bewegungen seit dem 19. Jahrhundert auseinandersetzen.
Mit der Veranstaltung from the archives. Künstler*innen im Archiv laden wir jetzt dazu ein, in Vorträgen, Gesprächen, Lesungen und Screenings die Projekte der Künstler*innen kennenzulernen und gemeinsam mit weiteren Gäst*innen Fragen zu diskutieren, die sich aus der Kooperation mit der Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets ableiten lassen. Uns interessiert, wie Künstler*innen in Archiven arbeiten, der Begriff des künstlerischen Forschens selbst und wie Urbane Künste Ruhr als Institution ohne Haus das künstlerische Erforschen der Region als Aufgabe und Handlungsmodus für sich fruchtbar machen kann.
Auch einen Ausblick auf die Zukunft möchten wir Euch geben: Ab 2024 wird das Residenzprogramm zu einem stärker produktionsorientierten Gastkünstler*innenprogramm umgebaut. Gemeinsam mit drei Kooperationspartner*innen lädt Urbane Künste Ruhr zukünftig sechs Künstler*innen oder Kollektive dazu ein, in einem dreimonatigen Aufenthalt einen Entwurf für ein ortsspezifisches Projekt zu entwickeln.
Das Residenzprogramm Zu Gast bei Urbane Künste Ruhr wurde 2018 von Britta Peters als nachhaltiges Netzwerkprojekt ins Leben gerufen und gemeinsam mit mehreren Kooperationspartnern im Ruhrgebiet umgesetzt. Künstler*innen bekamen so die Möglichkeit vor Ort im Ruhrgebiet zu arbeiten und die Region kennenzulernen.
Die 1998 gegründete Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets fördert die Erforschung der Geschichte und Gegenwart des Ruhrgebiets und stellt hierzu umfangreiche Buch- und Zeitschriftenbestände sowie zahlreiche Archivalien bereit. Im Stiftungsgebäude - dem Haus der Geschichte des Ruhrgebiets – stehen die Bibliothek des Ruhrgebiets und das Archiv im Haus der Geschichte des Ruhrgebiets allen Interessenten offen. Durch eine enge Kooperation mit dem Institut für soziale Bewegungen an der Ruhr-Universität Bochum profitieren Studierende und Fachwissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen ebenso wie Bergbaukundige und anderweitig an den Beständen Interessierte regional und überregional. Die Kooperation mit Urbane Künste Ruhr besteht seit dem Jahr 2021.
Veranstalterin ist die Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets.
- Programm
11.00–11.45 Uhr from the archives. Einführung
Begrüßung und Einführung mit Britta Peters, Alisha Raissa Danscher, Christoph Seidel11.45–12.45 Uhr Zusammenziehen
Vortrag und Gespräch mit Rike Frank (Berliner Programm Künstlerische Forschung) und Britta Peters (Künstlerische Leitung Urbane Künste Ruhr)12.45–13.00 Uhr Pause
13.00–14.30 Uhr Tracing, Recording, Translating
Vortrag und Gespräch mit den Künstler*innen Johanna Gonschorek, Nicoleta Moise und Nollaig Molloy sowie Alisha Raissa Danscher (Kuratorin Urbane Künste Ruhr)
Der Beitrag findet in englischer Sprache statt.
14.30–15.15 Uhr Pause mit Snacks und Kaffee
Währenddessen im Lesesaal (Loop): Screening Black Flags (Skizze) des Künstlers Henrik Nieratschker
15.15–16.00 Uhr Kunst für Arbeiter. Die Kulturarbeit der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie
Vortrag und Gespräch mit Holger Heith (Archivar, Haus der Geschichte des Ruhrgebiets)
16.00–16.30 Uhr Touch and go – The Politics of Materiality
Vortrag der Künstlerin Julia Lübbecke
16.30–17.00 Uhr Untertagebuch
Performativer Vortrag des Künstlers Guy Königstein
17.00–17.30 Uhr Gespräch
Gespräch mit den Künstler*innen Julia Lübbecke und Guy Königstein und Dr. Stefan Moitra (Stv. Leitung Bibliothek und Fotothek, Deutsches Bergbau-Museum Bochum)
17.30–17.45 Uhr Pause
17.45–18.45 Uhr Copyright. Aus einem Fotoarchiv mit 4.000.000 Bildern
Vortrag und Gespräch mit Stefanie Grebe (Leiterin der Fotografischen Sammlung/Fotoarchiv Ruhr Museum)
ab 18.45 Uhr Ausklang mit Drinks- Anmeldung
Anmeldung für die Veranstaltung über info@urbanekuensteruhr.de; Ansprechperson: Tanja Borcherding
- Adresse
Haus der Geschichte des Ruhrgebiets
Clemensstraße 17
44789 Bochum